Schleuse!

"Schleuse!", kommt die Stimme des Schiffsführers über die Sprechanlage zur Wohnung.
20 Uhr. Das Schiff fährt. Nach einem langen Arbeitstag warte ich auf diese Schleuse. Wenn man oft dieselbe Strecke fährt, dann weiß man, wann die nächste Schleuse kommt.
Das Schiff wird langsamer.

Einfahrt in eine Schleuse

Einfahrt in eine Schleuse

Vorbereitung auf die Schleuse

Wenn wir in der Anfahrt auf die Schleuse sind, schaue ich, ob wir direkt drankommen oder ob noch andere Schiffe vor uns geschleust werden und wir warten müssen. Diesmal haben wir Glück, wir können sofort in die Schleuse fahren, die beiden Lichter der Schleuse stehen schon auf grün.
Also raus, egal ob es kalt ist, in Strömen regnet oder schneit. Rasch ziehe ich mir dem Wetter entsprechend Arbeitsklamotten an, Schwimmkragen, Arbeitsschuhe und Handschuhe nicht vergessen und eine Mütze oder ein Haarband, damit mir meine Haare nicht im Gesicht hängen. Ein Handfunkgerät nehme ich mit nach vorne.
Mein Arbeitskollege ist auch schon da. Er wird das Tau hinten festmachen.

Üblicherweise wird das Schiff in der Schleuse vorne und hinten mit einem Tau fest gemacht, damit es nicht in der Schleuse herumtreiben kann. Auf einigen Schiffen werden auch Drähte in den Schleusen benutzt, aber das ist eher selten. Vorne wird das Tau nach hinten stehend fest gemacht, um zu verhindern, das es sich weiter nach vorne bewegen kann. Hinten das Tau steht nach vorne und verhindert, dass das Schiff nach Achtern treibt.

Ich hänge die benötigten Reibhölzer raus, sobald klar ist auf welcher Seite wir das Schiff fest machen. Wenn vier Schiffe in die Schleuse fahren, dann geht das erste Schiff Steuerbord soweit vorne wie möglich an die Wand, das Zweite Backbord vorne, das Dritte geht hinter das erste und ein Viertes kann sich hinter das zweite Schiff legen. Das letzte Wort hat aber der Schleusenmeister, der über den Schleusenvorgang wacht.
Die Reibhölzer hängen an den Stellen, wo das Schiff an die Wand kommt, um Kratzer und Dellen an der Seite zu vermeiden.

Der Schleusenvorgang

Beim Einfahren in die Schleuse teile ich dem Schiffsführer über das Funkgerät mit, wie viel Platz zwischen Schiff und Wand ist. Bei breiten Schleusen ist das kein Problem, aber wenn man mit einem 11,45 Meter breiten Schiff in eine 12 Meter breite Schleuse fährt, dann sieht das schon anders aus. Da ist es umso wichtiger, das die Reibhölzer an den richtigen Stellen hängen. Normal gibt es ein großes Reibholz vorne an der breitesten Stelle am Kopf und mindestens ein Zweites an der breitesten Stelle am hinteren Teil des Schiffes.
Es sollten immer Reibhölzer bereitliegen, die man noch zusätzlich schnell hinhängen kann.

Wenn das Schiff komplett in der Schleuse ist, dann schaue ich welchen Poller ich zum Festmachen benutzen kann. Ein Schiff kommt hinter uns rein. Also habe ich keine andere Wahl als den letztmöglichen Poller vor dem Tor zu nehmen.
Wenn der Poller in der Schleusenwand querab von der Pollerbank vorne ist, hat der Schiffsführer das Schiff schon fast gestoppt, es treibt aber immer noch nach vorne. Also schnell das Auge auf den Poller hängen und das Tau um die Poller auf dem Schiff wickeln, um mitzuhelfen, das Schiff abzustoppen.
Dafür muss man ein Gefühl entwickeln. Lässt man zu viel Lose im Tau, dann bremst es nicht schnell genug, wenn man aber zu früh das Tau fest macht, dann besteht die Gefahr das es reißt und bevor man ein neues Tau bereit hat, hängt das Schiff im Schleusentor. Mir ist bisher nur einmal in der Ausbildung hinten ein Tau in der Schleuse gerissen.

Manchmal wird es eng

Vorne ist Fest

Vorne ist Fest

Manchmal muss das Schiff bis auf einen Meter ans Schleusentor herangeführt werden. Sonst passt das Schiff dahinter nicht mit rein. Wenn man alleine vorne ist, dann ist es nicht leicht, gleichzeitig das Tau festzuhalten, zu schauen was das Tau macht, vorne den Abstand richtig einzuschätzen und über das Funkgerät mit dem Schiffsführer in Kontakt zu bleiben. Mit der Zeit spielt sich das aber ein.
Wenn ich vorne fest habe, sage ich übers Funkgerät "Fest!". Falls das Funkgerät nicht geht, kann man auch mit einer geschlossenen Faust dem Schiffsführer signalisieren, das das Tau fest ist. Sobald vorne fest ist, wird hinten das Tau festgemacht, welches verhindert, dass das Schiff zu weit nach hinten treibt.

Dann gibt es zwei Möglichkeiten:

  • Das Wasser steigt oder sinkt nur wenige Meter oder es gibt Schwimmpoller. Dann habe ich nichts weiter zu tun, als aufzupassen, das nicht zu viel Lose in das Tau kommt oder das die Reibhölzer sich so verschieben, das sie nicht mehr ankommen.
    Wenn viel Lose in das Tau kommt, dann muss ich das Tau durchholen. Das ist wichtig, denn je mehr Spiel das Schiff hat, umso mehr Kraft geht in die Taue und diese verschleißen und bei zu viel Lose reißen sie schließlich.
  • Die Schleuse hat normale Poller und das Wasser steigt oder sinkt über mehrere Meter. Auch dann muss ich die Lose im Tau durchholen und auf die Reibhölzer achten.
    Zusätzlich muss das Auge regelmäßig umgehängt werden. Sonst ist es entweder unter Wasser oder hängt so weit oben, das man es nicht mehr loskriegt. Wobei man durch richtiges Ausschlenkern auch ein Auge, das mehrere Meter über einem hängt, vom Poller bekommt.
    Beim Umhängen muss ich aufpassen, das das Schiff nicht weiter nach vorne geht. Üblicherweise treibt das Schiff in der Schleuse langsam nach vorne, bis es vom vorderen Tau aufgehalten wird, dann treibt es wieder zurück und so weiter. Je nachdem, wie ruhig oder unruhig das Wasser in der Schleuse ist, hat man viel oder fast gar keine Zeit zum Umhängen.
    Wenn ich Umhängen möchte, dann sage ich dies über das Funkgerät. Ich achte darauf, das das Schiff in dem Moment anfängt nach hinten zu treiben, wenn ich das Tau löse. Ich hänge das Auge zwei Poller weiter hoch oder runter und mache das Tau wieder an den Schiffspollern fest, bevor es wieder nach vorne treibt.
    Das richtige Timing ist hier wichtig. Wenn ich fest habe, dann hat der Kollege, der hinten am Tau steht Zeit, sein Tau umzuhängen. Es sollten nie beide Taue los sein.

Ausfahrt aus der Schleuse

Das Schleusentor geht auf

Das Schleusentor geht auf

Irgendwann ist der Schleusenvorgang vorbei, das Tor vor uns wird vom Schleusenmeister geöffnet und das Signal wird auf grün gestellt.
Auf dem Schiff wird erst hinten losgemacht, wenn die Maschine drauf ist. Der Schiffsführer drückt das Schiff erst hinten von der Wand ab und sagt Bescheid, wenn ich vorne losmachen kann. Ich mache das Tau schnell los, mit einer offenen Hand signalisiere ich dem Schiffsführer, dass ich das Tau losgemacht habe oder ich sage über den Funk "Los!" oder "Leggo!".
Bei der Ausfahrt achtet man wieder darauf, das der Abstand zur Wand nicht zu klein wird.

Nachdem das Schiff aus der Schleuse gefahren ist, wird aufgeräumt.
Die benutzen Taue werden wieder ordentlich aufgeschossen, die Reibhölzer werden wieder reingeholt. Falls Reibhölzer kaputtgegangen sind, werden diese repariert oder durch Neue ersetzt.
Die Arbeitskleidung und das Funkgerät werden so aufgehängt, das sie bei der nächsten Schleuse sofort einsatzbereit sind.


Ich wünsche Dir immer eine Handbreit Wasser unterm Kiel!
Die Binnenschifferin

Veröffentlicht am 10.08.2019 | Stichwörter: Schleuse, Wasserstraßenkunde | Teile den Beitrag: