Niedrigwasser am Rhein 2018

Es gab schon einige trockene Zeiten am Rhein. Aber keine hat so lange angehalten wie das Niedrigwasser 2018. Das über ein paar Wochen kein Wasser mehr von oben kommt, das passiert ein bis zweimal im Jahr. Das die Trockenperiode über mehrere Monate anhält, dies ist historisch einmalig. Die niedrigsten jemals gemessenen Wasserstände wurden im Oktober 2018 an vielen Pegeln am Rhein geknackt.

Niedrigwasser am Rhein 2018

Niedrigwasser am Rhein 2018
Urheber: Marion Haft

Ich habe meine eigenen Berichte über das Niedrigwasser durch Meldungen auf Twitter ergänzt, um das ganze Ausmaß des trockenen Wetters erkennbar zu machen.

Welche Auswirkungen hat das Niedrigwasser am Rhein 2018 auf die Schifffahrt?

Sehr niedriges Wasser bedeutet vor allem, das die Schiffe weniger Ladung fassen können. Wenn ein Schiff beladen wird, dann sinkt es weiter ins Wasser ein. Man spricht von Abladetiefe, welche angibt, wie tief ein Schiff ins Wasser einsinken darf, ohne Gefahr zu laufen den Grund zu berühren. Die Abladetiefe kann mithilfe der Pegeldaten berechnet werden.

Exkurs: Wie berechnet man die Abladetiefe eines Schiffes?

Zuerst brauchen wir ein paar allgemeine Daten zu einem bestimmten Pegel. Als Beispiel nehmen wir den Pegel in Köln. Die Daten, sowie die aktuellen Wasserstände, kann man unter anderem auf der Webseite elwis.de unter Service --> Wasserstände nachsehen.

Auf dem Rhein gibt es eine garantierte Fahrrinnentiefe, welche das WSA durch Ausbaggern des Flusses erhält.
Diese Fahrrinnentiefe ist bei Köln 2,50 Meter.
Bei jedem Pegel gibt es den gleichwertigen Wasserstand, kurz GLW. Dieser gibt den durchschnittlichen Wasserstand der letzten paar Jahre an.
Der GLW bei dem Pegel Köln ist 1,39 Meter.
Wir berechnen nun als Erstes die Wassertiefe unter dem GLW:
Fahrrinnentiefe - GLW = Tiefe unter GLW
250cm - 139cm = 111cm

Um die aktuelle Wassertiefe zu berechnen, brauchen wir den aktuellen Pegelstand.
Als Beispiel nehmen wir den Pegelstand in Köln vom 1. November 2018: 108cm.
Danach können wir mit dem aktuellen Pegelstand an diesem Pegel die aktuelle Wassertiefe berechnen:
Tiefe unter GLW + aktueller Pegelstand = aktuelle Wassertiefe
111cm + 108cm = 219cm

Um sicher zu gehen, dass wir immer eine handbreit Wasser unter dem Kiel haben, ziehen wir noch 30cm ab:
aktuelle Wassertiefe - 30cm = maximale Abladetiefe
219cm - 30cm = 189cm

Nun wissen wir, wie Tief die maximale Abladetiefe unseres Schiffes am 1. November 2018 in Köln sein durfte, nämlich 1,89 Meter.

Schifffahrt bei Niedrigwasser 2018

Der Eiltank 230, hat die Einsenkungmarken bei 3,05 Meter. Da der Eiltank 230 hinten schon 1,60 Meter tief liegt, wenn er leer ist. Wegen der schweren Heizanlage für das Bitumen, haben wir weniger Spielraum, als andere Schiffe.

Auf dem Eiltank 230 arbeiten wir in Schichten. 14 Tage dauert eine Schicht, dann hat man 14 Tage frei. Hier meine Eindrücke aus den Schichten, während des Niedrigwassers in den letzten paar Monaten. Daneben Meldungen auf Twitter zu dem Niedrigwasser 2018:

Schicht Juli 2018:

Pegel Köln: 1,54 m
Maximale Abladetiefe bei Köln: 235cm

Etwas weniger Ladung als sonst, aber es fährt sich noch gut. Reisen nach Godorf, bei Köln, um dort Bitumen zu Laden, sind kein Problem und wir machen mehrere in der Schicht. In Godorf dauert das Laden zwar immer etwas länger, dafür fahren wir dann aber mit dem Schiff auf dem Rhein eine gute Strecke runter nach Rotterdam, um dort in einem der vielen Hafenbecken zu löschen. Ein Problem machen uns die Anwohner in Köln, die Schiffe mit Eiern und Flaschen bewerfen, aber das ist ein Thema für einen zukünftigen Beitrag.


Schicht August 2018:

Pegel Köln: 1,22 m
Maximale Abladetiefe bei Köln: 203cm

Die Reisen auf dem Rhein werden langsam unrentabel. Wir fahren mit dem Eiltank 230 den Rhein hoch, um in Godorf, bei Köln, ca. 500 Tonnen Bitumen zu laden. Mehr gibt die Abladetiefe nicht her. Bei diesem Schiff, welches bis zu 2100 Tonnen laden kann, ist das ein Witz. Die Partikuliere mit den kleineren Schiffen, bis 80 Meter, können noch ganz gut fahren. Aber auch bei denen werden die Lademengen weniger. Damit die Reisen sich für die Schiffer noch lohnen gibt es Niedrigwasserzuschläge. Man hört von mehr Schiffen, welche sich festgefahren haben. In Köln hat sich Anfang August sogar ein Passagierschiff fest gefahren. Die haben eigentlich kaum Tiefgang.


Schicht September 2018

Pegel Köln: 1,10 m
Maximale Abladetiefe bei Köln: 191cm

Auf den Rhein fahren wir nicht mehr. Es lohnt sich nicht mehr und die Gefahr sich festzufahren steigt. Wir fahren die meiste Zeit in Rotterdam Hafenrundfahrten. Heißt in einem Hafenbecken in Rotterdam laden, um in einem anderen, in derselben Stadt, zu löschen. Eine Reise nach Delfzijl bekommen wir auch in dieser Schicht. In den holländischen Kanälen wird das Wasser konstant gehalten. Eine Schleuse im Amsterdam-Rhein-Kanal, welche normalerweise offen ist, wurde geschlossen, um zu verhindern, das salziges Meereswasser, welches nun den Kanal hoch drückt, in den Rhein fließt. Einige Bauern am Niederrhein bewässern ihre Felder mit Rheinwasser und auch die Kühe trinken das Wasser aus dem Fluss. Salziges Wasser auf die eh schon trockenen Felder zu gießen wäre nicht gut.

Zwischen den wenigen Reisen heißt es warten. Die Zeit, in der man liegt kann man gut nutzen, um langwierige Decksarbeiten fertig zu bekommen. Wir streichen das Deck, die Farbe hat jetzt genug Zeit um zu trocknen. Und in Rotterdam zu liegen hat auch seine Vorteile, nach Feierabend kann man mal die Stadt ein wenig erkunden. Auch wird die Zeit genutzt, um eine neue Klimaanlage einzubauen. Bei der Hitze ist das notwendig. Vorher hatte ich in meinem Zimmer oft 30°C.


Schicht Oktober 2018

Pegel Köln: 0,70m
Maximale Abladetiefe bei Köln: 151cm

Der Eiltank 230 kann nicht mehr auf dem Rhein fahren. Mit dem Schiff würden wir wohl noch gerade so bis Köln den Rhein hoch fahren können, aber beladen wäre nicht mehr drin. Zumal vor dem Beladehafen eine Untiefe ist, das heißt, wir kämen vielleicht nicht einmal leer in diesen Hafen hinein. Viele Schiffe, bei denen es nicht mehr lohnt den Rhein hoch zu fahren, sind nun im Rheindelta unterwegs. In Rotterdam, Amsterdam und Antwerpen gibt es immer genug Wasser. Es wird schwieriger überhaupt einen vernünftigen Auftrag zu bekommen.

Wir haben Glück und bekommen für diese Schicht einen neuen Auftrag. Wir fahren die ganze Schicht über Bitumen von Vlissingen in Holland, nach Antwerpen in Belgien. Normalerweise macht diese Tour ein anderes Schiff, welches extra für diese Tour gebaut wurde. Doch dieses Schiff geht für eine Woche an die Werft, so dass wir dafür einspringen. Viele Reedereien und Partikuliere nutzen die Zeit, um ihre Schiffe auf der Werft instand setzen zu lassen.
Nächste Schicht werden es wahrscheinlich wieder Hafenrundfahrten in Rotterdam.


Schicht November 2018

Hafen Köln Niehl während Niedrigwasser im November 2018

Hafen Köln Niehl während Niedrigwasser im November 2018

Pegel Köln: zwischen 0,80m und 0,70m
Maximale Abladetiefe bei Köln: 151cm

Ein sehr ereignisreiche Schicht! Wir sind von Rotterdam nach Köln gefahren. Geplant war Laden von ein paar Tonnen Bitumen in Godorf. Doch das Wasser hat uns einen Strich durch die Rechnung gemacht. Bis wir mit Laden dran kommen konnten, war das Wasser so weit gefallen, das die Gefahr des Festfahrens mit beladenem Schiff einfach zu groß war. Also haben wir im Hafen Köln Niehl gelegen und auf steigendes Wasser gewartet. Bis zum Ende der Schicht kam nicht genug Wasser. Selbst der Hafen Niehl war teilweise trocken gefallen. Tomaten- und Physalispflanzen wachsen sogar im Hafen in Köln sehr gut. Im Dezember soll es endlich mehr regnen.


Auswirkungen des Niedrigwasser am Rhein 2018

Schon jetzt steigen die Preise für Heizöl und Treibstoffe an, denn diese werden hauptsächlich durch Schiffe die Flüsse hochgebracht. Auch die Kraftwerke können nicht mehr mit ausreichend Kohle beliefert werden und müssen ihren Betrieb herunterfahren.

Die Schiffe können nur noch mit begrenzter Ladung fahren und das mit der steigenden Gefahr sich fest zu fahren. In Mannheim hatten sich letztens 5 Schiffe auf einmal festgefahren, weil sich Aufgrund der veränderten Strömung eine Untiefe in der Fahrrinne gebildet hatte. Die meisten kamen durch eigene Kraft wieder frei, dennoch ist jede beladene Fahrt ein Risiko.

Mehrere Fähren auf dem Rhein haben zwischenzeitlich den Dienst eingestellt.
Zu bedenken dabei: Zwischen den Brücken in Mainz und Koblenz liegen ganze 80 Kilometer und bei dem Abschnitt zwischen Weißenthurm und Bonn sind es 40 Kilometer, die bei nicht funktionierendem Fährverkehr umfahren werden müssen.

Wir haben Glück das wir in modernen Zeiten leben. Denn die Hungersteine, die nun aus dem Rhein auftauchen, bedeuteten in früheren Zeiten Hungersnöte für die Bevölkerung des Landes. Da ist es doch gut, das wir unsere Lebensmittel aus anderen Ländern importieren können.


Ich bin jetzt in der Freischicht. Ich werde diesen Beitrag nach der Novemberschicht und in den kommenden Monaten ergänzen und berichten wie es weiter geht, mit dem Niedrigwasser. Ich schreibe und poste Bilder zu dem Thema auch auf Twitter -->

Zurzeit kommt ein wenig Wasser von oben, aber es reicht nicht. Es müsste schon tagelang regnen, um die Flüsse wieder in den Normalzustand zu bringen.
Wenn kein Regen kommt, bevor es winterlich kalt wird, bekommen wir ein weiteres Problem. Dann fällt in den höheren Lagen Schnee, anstatt Regen. Also kommt kaum Wasser in den Flüssen an.
Das Niedrigwasser am Rhein 2018 könnte also noch eine Weile anhalten. Aber Anfang Dezember steigt das Wasser etwas. Mal schauen ob es bleibt.

Ich wünsche Dir, besonders in diesen Zeiten, immer eine handbreit Wasser unterm Kiel!
Die Binnenschifferin

Veröffentlicht am 4.11.2018 | Stichwörter: Niedrigwasser, Rhein | Teile den Beitrag: