Winter an Bord

Gefrorene Taue und vereiste Gangbord. Für mich ist die härteste Jahreszeit an Bord der Winter. Frühling, Sommer und Herbst mag ich meinen Beruf, doch der Winter verlangt einiges von Schiff und Mannschaft ab. Schnee und Eis machen das Arbeiten auf einem Binnenschiff schwieriger und gefährlicher.

Schneetreiben auf der Werft

Schneetreiben auf der Werft

Die Arbeit auf dem Schiff ist im Winter gefährlicher als sonst.
Ein Sturz ins Wasser während der Fahrt auf einem Fluss kann im Winter binnen Minuten tödlich enden. Während in den anderen Jahreszeiten eine Rettung aus dem Wasser wahrscheinlicher ist, hätte man bei eiskaltem Wasser nur ein paar Minuten bis die ins Wasser gefallene Person wegen Unterkühlung handlungsunfähig wird. Die Rettungsweste, die man beim Arbeiten am Wasser immer tragen muss, hält einen zwar auch bei Bewusstlosigkeit über Wasser, doch eine bewusstlose Person schnell aus dem Wasser zu ziehen dürfte schwierig werden.

Fallen viele Leute von Schiffen ins Wasser?

Das jemand über Bord fällt, ist zum Glück sehr selten! Mir selbst ist das noch nie passiert. Wenn man ein paar Regeln einhält, dann sollte es einem erfahrenen Binnenschiffer nicht passieren.
Schiffe sind grundsätzlich vorne und hinten mit mindestens Hüfthohen Schanzen ausgestattet und in der Gangbord muss es zumindest ein Geländer geben, an dem man sich festhalten kann.

Im ersten Jahr in der Ausbildung wurde mir beigebracht, dass ich immer eine Hand bereithalten sollte, um mich, falls nötig festhalten zu können.
Eine Hand fürs Schiff und eine Hand für mich.
Im Winter sollte man den Spruch noch mehr als sonst zu Herzen nehmen.
Wenn man Dinge durch die Gangbord trägt, wie Leitern oder Eimer, dann sollte man die Sachen in der Hand zur Wasserseite hin tragen, damit man sich mit der anderen Hand festhalten kann.
Arbeiten am Schiff von Außen darf man nur machen, wenn das Schiff liegt.
Bei Arbeiten in der Gangbord während der Fahrt, muss man entsprechende Vorsicht walten lassen und auch auf Wellenschlag von anderen Schiffen achten, die in die Gangbord schlagen können.
Nachts ist es sinnvoll eine kleine Taschenlampe dabei zu haben, um sich den Weg in der Gangbord zu beleuchten, wenn diese nicht beleuchtet ist.

In der Ausbildungszeit hat man in allen drei Lehrjahren Schwimmunterricht in der Binnenschiffer-Schule in Duisburg. Dort werden auch die Grundlagen der Rettung aus dem Wasser beigebracht. Man kann auch mal Schwimmen mit Kleidung ausprobieren, was wirklich sehr schnell anstrengend wird, selbst für gute Schwimmer! Am Ende der Ausbildung hat man das Deutsche Rettungsschwimmerabzeichen (je nach Leistung Bronze, Silber oder Gold).

Mein Winter 2018/19 an Bord

Den Winter 2018/19 hat man kaum mitbekommen. Nur ein paar Tage waren wirklich winterlich gewesen. Der Klimawandel macht auch vor Deutschland keinen halt, das Wetter interessiert sich wenig für Grenzen. Was insgesamt für Natur und Mensch unangenehme Folgen haben wird, ist für das Arbeiten an Bord eines Schiffes gar nicht so schlecht. Es ist trotzdem noch zu kalt und nass, um draußen zu streichen. Also werden wie jeden Winter, der Maschinenraum und Bugstrahlraum geputzt. Innen kann auch im Winter gestrichen werden. Dieses Jahr wurden, unter anderem, die Treppen im Maschinenraum, im Heizungsraum und im Bugstrahlraum neu gestrichen.

Der Kampf mit den gefrorenen Tauen

Vereister Ankermotor auf einem Schubleichter

Verpackter und vereister Ankermotor auf einem Schubleichter

Die Taue, welche zum Festmachen des Schiffes benötigt werden, liegen üblicherweise an Deck bereit. Sie liegen aufgeschossen in Taukörben, sodass sie immer sofort einsatzbereit sind.
Wenn es aber sehr kalt wird und dazu auch noch regnet oder schneit, passiert es schnell, dass die Taue nur noch schwer zu benutzen sind. Sie neigen dazu sich mit Wasser vollzusaugen und wenn es dann friert, dann friert gleich das ganze Tau ein. Die Folge ist ein steif gefrorenes, hartes Tau, mit dem man eher jemanden erschlagen könnte, als es um einen Poller zu wickeln.
Als Gegenmaßnahme werden im Winter üblicherweise zwei Taue, eins hinten und eins vorne, in die Maschinenräume unter Deck gelegt, damit sie nicht gefrieren können. Die muss man dann jedes Mal zum Festmachen wieder herausholen und am Ende wieder im Maschinenraum aufschießen. Aber so hat man zumindest immer ein handliches Tau.

Taue, welche über Nacht zum Festmachen des Schiffes benutzt wurden, tendieren dazu im Winter am Poller festzufrieren. Beim Einhängen und Lösen des Taues wird zwar versucht es möglichst nicht ins Wasser kommen zu lassen, aber das lässt sich nicht immer verhindern und wenn es regnet oder schneit, wird das Tau so oder so nass. Am nächsten Morgen muss man manchmal ganz schön kämpfen, um das am Poller festgefrorene Tau wieder loszubekommen. Meistens reichen ein paar Schläge oder Tritte ans Tau damit das Eis kaputtgeht und dann kann man es mühsam, Stück für Stück, vom Poller abziehen. Das Tau kann man dann gleich zum Auftauen in den Eingang zum Maschinenraum hängen.

Meine Winter auf Frachtschiffen

Ich habe bisher vier Winter auf Frachtschiffen verbracht.
Bei Frachtschiffen mit Lukendeckeln auf dem Frachtraum sind diese im Winter auch schwergängiger als sonst. Auch muss man beim Ziehen der schweren Deckel aufpassen, das man nicht in der Gangbord ausrutscht.

Dass der Rhein oder die Donau komplett zufrieren ist so gut wie ausgeschlossen, aber bei kleineren Flüssen, wie dem Neckar oder der Mosel, aber auch in den Kanälen kann das schon mal passieren.
Bei einer dünnen Eisschicht können auch normale Schiffe hindurchfahren. Das sieht interessant aus, wenn man am Bug steht und vor einem bricht das ganze Eis auf und wird vom Schiff zusammen geschoben. Das zerbrechende Eis knistert und knirscht und Eisbrocken werden nach Vorne und zu den Seiten hin übers Eis regelrecht weg geschossen.

Eine Möwe steht auf dem Eis

Eine Möwe steht auf der Eisschicht im Hafen Regensburg.

Wenn die Eisschicht dicker wird, dann müssen Eisbrecher die Eisdecke für die anderen Schiffe aufbrechen.
Das passiert selten, aber in Hafenanlagen, Schleusen und an Stellen, wo das Wasser nur träge fließt, friert das Gewässer schonmal zu.
Bei alten Schiffen besteht die Gefahr, das sie durch das zugefrorene Eis, wenn es sehr kalt wird und das Eis dicker wird, regelrecht zerdrückt werden.
Als Schiffsmädchen war ich auf einem Frachtschiff, das eine Reise von einem Hafen am Rhein bis nach Wien an der Donau hatte. Während der Fahrt durch den Main und Main-Donau-Kanal hatte es schon sehr dolle geschneit, ich musste an diesen Tagen viel Schnee schippen zwischen den vielen Schleusen.
Als wir dann in Regensburg im Hafen lagen, fror tatsächlich das gesamte Hafenbecken zu. Die Möwen standen verdutzt auf dem Eis und ich hatte Bammel, das die Eisschicht dicker werden würde. Zum Glück wurde es aber am nächsten Tag schon wieder wärmer und es waren nur noch große Eisschollen, die im Hafen umherschwammen.

Mit einem anderen Frachtschiff, Jahre später, wurden wir an einem noch recht angenehmen Wintertag auf die Helling einer Werft in Duisburg gezogen, da etwas repariert werden musste. Ein paar Stunden später kamen dicke Schneeschauer vom Himmel und machten alles weiß und die Gangbord recht rutschig. Da hat auch kein Räumen mehr geholfen, denn wenn ich mit der einen Gangbord fertig war, war die andere Seite schon wieder zu geschneit.

Gefrorene und zugeschneite Gangbord und Wege

Schnee auf dem Dennebaum und Eis in der Gangbord

Schnee auf dem Dennebaum und Eis in der Gangbord

Beim Arbeiten an Deck muss man im Winter besonders aufpassen. Vor allem vorne, wo die Gischt teilweise über den Bug spritzt und in der Gangbord bildet sich schnell eine spiegelglatte Eisfläche. Die kann einem beim Händeln der Ankereinrichtung oder den Tauen beim Festmachen und in den Schleusen zum Verhängnis werden. Trittsicherheit ist hier wichtig.
Wenn Schnee fällt, dann muss man auch den Schnee weg schaufeln, so das die Gangborden begehbar sind und die allgemeinen Wege auf dem Schiff frei sind.
Auf manchen Schiffen wird Salz gestreut, um die Wege freizuhalten. Das hilft aber nur bedingt, da das Salz mit dem abfließenden Wasser wieder vom Schiff gespült wird. Man muss also öfters am Tag eine Runde machen und Salz streuen, wenn das funktionieren soll und braucht einen entsprechend großen Salzvorrat, der dementsprechend Geld kostet. Durch das Salz rostet das Schiff schneller, weshalb viele Schiffer lieber ganz darauf verzichten.

Bei kaltem Wind und nassem Wetter verzieren oft Eiszapfen das Steuerhaus und die Radar- bzw. Flaggenmasten der Schiffe. Um Eisflächen auf dem Deck zu vermeiden, werden die Schiffe bei Minustemperaturen meist nicht mehr abgewaschen, weswegen diese im Winter oft dreckiger aussehen als sonst.
Dafür macht man den Maschinenraum und Bugstrahlraum wieder hübsch. Diese Räume werden im Winter ausgeseift oder neu gestrichen, je nachdem wie die alte Farbe noch aussieht. Dort ist es dank der Motoren angenehm warm. Im Sommer herrscht hier oft so eine Hitze, das man kaum arbeiten kann.


Wenn man im Winter an Bord eines Binnenschiffes arbeitet, dann ist es eine harte Zeit.
Schnee auf der Roof und Eiszapfen vor den Fenstern sehen schön aus.
Wenn man jedoch mit den gefrorenen Tauen am Kämpfen ist, aufpassen muss das man nicht auf einer Eisfläche ausrutscht und mit taub gefrorenen Fingern einen Knoten binden muss, dann macht es nicht so viel Spaß.
Arbeiten draußen unter diesen Bedingungen, während die meisten Menschen in Deutschland drinnen im Warmen sitzen, da weiß man am Ende was man geschafft hat.

Ich wünsche Dir immer eine Handbreit Wasser unterm Kiel!
Die Binnenschifferin

Veröffentlicht am 10.05.2019 | Stichwörter: Winter, Binnenschifffahrt | Teile den Beitrag: